Die Suche nach der unendlichen Freude, von Antaranga Gressenich

Ich saß auf meinem Bonanza-Fahrrad. Plötzlich staubte es heftig und der hellblaue Himmel über mir wurde sichtbar. Es tat nicht viel weh, aber der Blick nach unten zeigte es. Meine Lieblings-Bluejeans hatte sich beim Sturz vom Fahrrad ein großes Loch zugezogen. Das frustrierte mich mit meinen 14 Jahren ungewöhnlich tief. Plötzlich wurde mir glasklar, das alles, was ich gern habe, vergänglich ist. Mir ist es wohl so ähnlich wie Buddha ergangen.

Porträt Antaranga Gressenich

Vor rund 2500 Jahren wurde er sich bei der ersten Begegnung mit Kranken und Alten der Vergänglichkeit alles Irdischen bewusst und begann einen Ausweg aus allem Leiden zu suchen. Immer mehr tiefgründige Fragen tauchten in mir auf und beschäftigten mich jahrelang. Was bleibt von mir übrig, wenn ich sterbe? Kann ich dann noch sehen und fühlen? Werde ich Menschen, die ich gern habe, im Himmel wiedersehen?

Als Antwort von oben legte mein Freund Peter mir, als ich um die 20 Jahre alt war, die „Autobiographie eines Yogi“ auf den Tisch. Was dort geschrieben stand, wollte ich auch. Ich wollte meine unsterbliche Seele und Gott sehen und hören. Ich wollte dauerhaften inneren Frieden, bleibende Freude und das Licht Gottes ständig in mir und um mich herum sehen. Und ich wollte voller Liebe für alle Menschen sein.

Ein halbes Jahr tägliche Meditation nach Zen-Art nachdem ich in München einen Zen-Kurs besucht und einige Zen-Bücher gelesen hatte, brachte wenig Paradiesisches in mir hervor, obwohl andere sehr gute Erfahrungen damit machten. Der Wunsch kam auf, einen echten Meditationsmeister zu suchen, der mir weiterhelfen kann, und sein Schüler zu werden.

Der Durstige findet den Teich. Im Frühjahr 1987 in einem Yoga-Kurs in Trostberg lieh mir ein "Mityogi“ die Broschüre "Sri Chinmoy - das Beispiel eines echten spirituellen Meisters". Was da drin stand, beeindruckte mich. Wie das Schicksal so will, zog ein Plakat bei einem Einkaufsbummel in München meine Aufmerksamkeit auf sich. Da war zu lesen, dass Sri Chinmoy am 21. Mai 1987 ein Konzert im Circus Krone geben wird. Zusammen mit meinen Jungs aus der WG fuhr ich dorthin, aber die Meditation mit Sri Chinmoy öffnete auch im Zirkuszelt nicht die Schleusen des Paradieses für mich. Trotzdem entschloss ich mich, sobald ich für meine Ausbildung zum Heilpraktiker nach München gezogen bin, einen kostenlosen Meditationskurs im Sri Chinmoy Centre zu absolvieren.

Im März 1988 war es soweit. Ich nahm an dem Meditationskurs teil. Ich fühlte wieder nicht viel beim Meditieren. Trotzdem fuhr ich per Nachtzug mit einem Bild von mir in der Tasche und einem Schreiben, in dem ich mich als Schüler von Sri Chinmoy bewarb, nach Florenz. Dort gab Sri Chinmoy ein Konzert im Teatro Aurora. Auf dem Weg zum Meditationskonzert war ich seit langem einmal wieder richtig glücklich, obwohl ich im Nachtzug wirklich schlecht geschlafen hatte. Vor lauter Freude habe ich wohl Nivedak, einem langjährigen herzlichen, italienischen Schüler von Sri Chinmoy, noch vor dem Konzert mein Foto und mein Bewerbungsschreiben gegeben. Eigentlich wollte ich ihm alles nach dem Konzert geben, falls ich etwas Tolles bei der Meditation mit Sri Chinmoy gefühlt hätte.

Sri Chinmoy nahm mich als Meditationsschüler an. Ab dem Zeitpunkt konnte ich besser meditieren und wurde fröhlicher, obwohl sich eine erhoffte, sensationelle innere Erfahrung noch nicht zeigen wollte. Ein halbes Jahr später passierte es dann. Sri Chinmoy wollte in einem Hotel in München einen Nobelpreisträger für seine Bemühungen für eine bessere Welt ehren. Ich war auch in dem Hotel und stand plötzlich zufällig in einem Gang ein paar Meter neben dem Nobelpreisträger. Da erblickte ich Sri Chinmoy, wie er auf den Nobelpreisträger und mich zuging. Sri Chinmoy blickte mich kurz an und plötzlich erfüllte mich tiefer, innerer Friede. Er hielt viele Stunden an. Jetzt war ich mir sicher. Ich habe den richtigen Meditationsmeister und Freund gefunden, der mich begleitet, bis ich das Ziel der Erleuchtung erreicht habe.

Sri Chinmoy hat mir über die Jahre viele erfüllende, innere Erfahrungen geschenkt. Ich erlebe es so. Ein spiritueller Meister bringt zusätzlich zu deinen eigenen Bemühungen innere Ruhe, Freude und inneres Licht zu Dir herab. Deine tägliche Meditation bringt dadurch einfach bessere Ergebnisse hervor. Als ich ohne Meister meditierte, ging es sehr langsam voran. Jetzt stellte sich schnell Fortschritt ein. Ängste kamen wieder zum Vorschein oder menschliche Schwächen und verschwanden oder wurden deutlich weniger. Ich wurde ausgeglichener, herzlicher, mitfühlender, hatte mehr Lebensfreude und Tatkraft. Meine innere Stimme konnte ich immer deutlicher wahrnehmen, die mir mit einem ruhigen Gefühl der Freude zeigt, wie ich handeln soll. Die Beschwerden einer chronischen Krankheit, die mich plagten, wurden oft deutlich besser nach meiner Morgenmeditation. Es wird sicher noch ein paar Jahrzehnte oder länger dauern bis ständige Freude mich begleitet und ich erleuchtet bin. Doch ich bin zufrieden. Ich werde von Jahr zu Jahr fröhlicher. Die erfüllende, innere Welt wird immer spürbarer.

Natürlich brachte der Meditationsweg Sri Chinmoys auch eine Änderung meiner Lebensweise mit sich. Anfangs stieß sie nicht immer auf das Verständnis der mir nahe stehenden Menschen. Dass ich jetzt immer morgens früh um Sechs für eine halbe Stunde auf meinem Meditationsbänkchen aus Kiefernholz saß, war, obwohl ziemlich früh, am leichtesten zu verdauen. Es leuchtete ein, dass die atmosphärische Ruhe vor 7 Uhr einen beim Meditieren unterstützt. Dass ich keinen Alkohol, Zigaretten und Drogen zu mir nahm, weil sie Meditationserfahrungen verhindern, konnte mein Umfeld schlucken. Dass ich mich von nun an strikt vegetarisch ernährte, weil Fisch und Fleisch die Aggressivität und Rastlosigkeit des tierischen Bewusstseins auf den Menschen überträgt, und man deshalb normalerweise keine subtilen Erfahrungen beim Meditieren macht, nahm man zur Kenntnis.

Dass ich aber wie ein Mönch auf Sex verzichten wollte, bedurfte ausführlicher Erklärungen. Sexualität und romantische Liebe binden einen an einen vergänglichen Menschen und an die Achterbahn von Freude, Sehnsucht, Angst und Traurigkeit. Meditation ohne Enthaltsamkeit bringt sicher auch eine Verbesserung der Grundstimmung und verbessert die Fähigkeiten auf allen Gebieten. Ich wollte aber bleibenden inneren Frieden, dauerhafte Freude und vollständige Erleuchtung. Das ist laut der Erfahrung aller echten Yogis und Meditationsmeister nur möglich, wenn man sich langsam, behutsam aber zielgerichtet vom sexuellen und romantischen Leben löst. Auch Jesus lehrte dies. Nun, durch regelmäßige, tägliche Meditation nimmt das sexuelle Bedürfnis automatisch schrittweise ab und Du machst immer erfüllendere Meditationserfahrungen. Wer das Bedürfnis einfach unterdrückt und nicht regelmäßig meditiert, wird nichts erreichen und sich nur quälen. Meine fröhliche Bewusstseinslage und meine inneren Erfahrungen sind mir den Preis dieses Verzichts wert. Die klassische Homöopathin, zu der ich seit 20 Jahren gehe, sagte einmal zu mir: „Anfangs dachte ich, was macht er jetzt wieder. Aber jetzt. Sie haben den richtigen Weg für sich gefunden. Ich gratuliere Ihnen zu Ihrem Lebensstil.“ Was mir sehr gefällt, ist die aktive, auf eine bessere Welt ausgerichtete Lebensweise, die Sri Chinmoy gelebt und gelehrt hat. Gemeinsam mit anderen Meditationsschülern organisieren wir unter anderem humanitäre Hilfsprojekte, den World Harmony Run und geben bei freiem Eintritt Meditationskurse und Konzerte.

Aus der Knospe eines disziplinierten Lebens
erblüht die Blume des Glücklichseins
in unmittelbarem Fortschritt.
- Sri Chinmoy

Antaranga Gressenich
München, 23. Oktober 2008