Sri Chinmoy in Köln, von Gunasagara Buch aus Köln

Sobald ich lesen gelernt hatte, wurde ich zur begeisterten Leseratte. Zuerst las ich alle Bücher, an die ich im Bücherschrank meiner Eltern herankommen konnte. Später, als ich Mitglied in der Stadtbücherei wurde, lieh ich mir dort jede Woche etwas aus, bestimmt drei oder vier Bücher. Nicht nur Bücher für Kinder, auch solche für Erwachsene, die ich angeblich für meine Mutter auslieh! Na ja, einige davon waren ja tatsächlich für sie! Als ich von meinen Eltern etwas Taschengeld bekam, sparte ich einen Teil davon, um mir Bücher zu kaufen - hauptsächlich spannende Abenteuergeschichten, vorzugsweise aus fremden Ländern. Aber ich las zum Beispiel auch die Bibel, die meine Großmutter mir zur Konfirmation schenkte.

Es gab in der Kleinstadt, in der ich aufwuchs, einen Buchladen, an dem ich regelmäßig vorbeiging, um mir die Auslage anzuschauen. Als ich vierzehn oder fünfzehn Jahre alt war, entdeckte ich in diesem Schaufenster ein Buch, das Bhagavad Gita hieß. Es war ziemlich teuer und ich hatte keine Ahnung, worum es darin ging, doch irgendwie fühlte ich mich stark davon angezogen. Ich schaute es mir in den folgenden Wochen oft an und schließlich kaufte ich es. Natürlich machte ich mich sofort daran, es zu lesen - das heißt, ich versuchte es. Doch ich verstand überhaupt nicht, worum es da ging und nach einer Weile legte ich es beiseite.

Als ich siebzehn oder achtzehn war fing ich mit Hatha-Yoga an. Ich kaufte mir ein Buch darüber und machte die Übungen nach dieser Vorlage. Ich übte ziemlich regelmäßig - aber nicht mit dem Ziel der körperlichen Fitness! Ich wollte vielmehr die Fähigkeit erwerben, in den Kopf meiner Lehrer einzudringen, um dort die Antworten auf ihre Fragen während meiner Abiturprüfung abzulesen! Unglücklicherweise oder auch glücklicherweise entwickelte ich diese Fähigkeiten nicht und so fielen meine Noten nicht so gut aus wie erhofft!

Während meines Studiums lernte ich viel Neues und ein ganz anderes Leben kennen als ich es früher mit Eltern und Geschwistern geführt hatte. Es war eine aufregende Zeit, doch durchweg zufrieden oder gar glücklich wurde ich nicht. Und auch später war mein Privatleben nicht so, wie ich es mir wünschte. Deshalb fing ich an, mich nach etwas umzusehen, was diesem Zustand abhalf und mich glücklicher machte.

Weil ich Buddha schon immer gemocht hatte und Japan seit meiner frühen Kindheit liebte, versuchte ich es mit dem Zen-Buddhismus. Ich las Bücher und besuchte ein Zen-Wochenende mit einem japanischen Zenmeister. Doch nach dem stundenlangen Sitzen in der Lotusposition taten meine Knie noch wochenlang weh und ich machte danach erst mal eine Pause. Als ich wieder ohne Schmerzen sitzen konnte, versuchte ich es mit einem weiteren Zen-Wochenende, diesmal mit einem deutschen Meister. Am zweiten Tag hatte ich auf dem Weg zu der Veranstaltung einen Autounfall. Und als der Meister später am Telefon meinte, ich könnte an der folgenden Veranstaltung nicht mehr teilnehmen und sollte später noch einmal ein neues Seminar besuchen, entschied mich, den Zen-Buddhismus ganz aufzugeben.

Mein nächster Versuch war der Tibetanische Buddhismus, der mich noch mehr faszinierte als der japanische. Ich las Bücher und besuchte öfters die Veranstaltungen in einem nahe gelegenen tibetanischen Kloster in der Eifel. In dieser Zeit sah ich zum ersten Mal in Köln ein Plakat mit dem Bild von Sri Chinmoy. Er war darauf in einem hohen Bewusstseinszustand abgebildet und sah sehr seltsam aus. Und ich sagte zu mir, dass ich nie im Leben eine Schülerin dieses Mannes werden würde! Doch ich wurde auch mit dem Tibetanischen Buddhismaus nicht glücklich: Als ich erfuhr, dass eine buddhistische Klausur in Deutschland für die Teilnehmer so etwas wie eine ein Jahr dauernde Selbsterfahrungsgruppe wäre, verlor ich das Interesse daran. Ich bin Psychologin und hatte von Selbsterfahrungsgruppen genug!

Eines Tages sah ich ein Plakat, auf dem ein Vortrag von einem anderen Psychologen namens Kailash Beyer angekündigt wurde. Es erschien mir interessant, ihn anzuhören, obwohl er Schüler von Sri Chinmoy war. Der Vortrag gefiel mir sehr gut und ich nahm an den Meditaitionskursen teil, die die Kölner Schüler von Sri Chinmoy nach dem Vortrag veranstalteten. Nach einigen Wochen wäre ich gerne selbst Schülerin geworden, doch ich war zu schüchtern, um das zu äußern. Ich nahm also weiter nur an den Meditationskursen teil.

Dann fand am 24. März 1984 ein großes Konzert mit Sri Chinmoy in Köln statt. Es waren über 8000 Besucher da und ich fand einen Platz direkt gegenüber der Bühne. Doch die Umgebung war laut und unruhig und ich konnte mich nicht auf Sri Chinmoy und seine Musik konzentrieren. Am nächsten Tag fand eine siebenstündige Meditation mit Sri Chinmoy statt und ich war eingeladen worden, daran teilzunehmen. Da ich mir es nicht zutraute, sieben Stunden hintereinander zu meditieren und ich mich außerdem auf eine Psychotherapieprüfung vorbereiten musste, wollte ich nur an den letzten vier Stunden teilnehmen. Ich kam während einer Pause an und fand einen Platz, von dem aus ich Sri Chinmoy gut sehen konnte. Nach der Pause sagte dieser, dass von den sieben Stunden nur noch zwei übrig seien, weil er bereits am frühen Morgen zwei Stunden meditiert habe. Nach diesen zwei Stunden fragte Sri Chinmoy, ob jemand von den Anwesenden sein Schüler oder seine Schülerin werden wolle. Zwei oder drei Leute meldeten sich - aber ich nicht, ich war zu schüchtern! Die sich gemeldet hatten, gingen zu Sri Chinmoy nach vorne und er meditierte auf sie. Nachdem sie wieder auf ihre Plätze zurückgekehrt waren, schaute Sri Chinmoy nacheinander drei Leute aus dem Publikum an - darunter auch mich! Das war ein unbeschreibliches Gefühl, mein ganzer Körper stand in Flammen!

Kurze Zeit danach überwandt ich meine Scheu, schrieb Sri Chinmoy einen Brief und wurde als Schülerin akzeptiert. Dies ist jetzt über fünfundzwanzig Jahre her und ich habe es nie bereut. Im Gegenteil: Das war die beste Entscheidung, die ich in meinem Leben getroffen habe!

Gunasagara Buch, Köln