Wertvolle Momente innerer Freude, von Shushumna, London, England

Ich möchte gerne ein paar kurze Geschichten vom Leben mit Sri Chinmoy in England aus den frühen Tagen erzählen.

Fast jeder konnte etwas Besonderes im Meister sehen.
Einmal nahm uns Guru mit zu einem indischen Restaurant in West-London. Das Essen schmeckte ausgezeichnet und der Restaurantbesitzer sprach Bengali (Gurus Muttersprache), worüber wir uns natürlich sehr freuten.

Als ich Tage später wieder ins Restaurant ging, um einen geliehenen Teller zurückzugeben, erzählte mir der Geschäftsführer, wie gut Sri Chinmoy Bengali sprach und wie sehr ihn es gefreut hatte, diese Sprache zu hören.
Ein Ehepaar, welches damals mit unserer kleinen Gruppe im Restaurant war, ging ein Jahr später wieder in das Restaurant essen und der Restaurantbesitzer erzählte ihnen, dass er das Trinkgeld, welches er damals von Guru erhalten hatte, immer noch in seiner Tasche trug. Für ihn war das mehr als "nur" Trinkgeld - für ihn war es ein Segen.
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Da fällt mir noch eine Begebenheit ein, welche ich oft und gerne neuen Schülern erzähle, um die ich mich heutzutage kümmere.

Sri Chinmoy sagt, alles habe eine Seele. Wenn Guru damals nach England kam, durfte ich oft kochen. Zu einem solchen Anlaß kaufte ich einst einen sehr schönen Blumenkohl und legte ihn auf meinen Küchentisch, in der Absicht daraus ein Blumenkohlgratin zuzubereiten. Doch ausgerechnet an diesem Tag lud uns Sri Chinmoy zum Mittagessen ein. Danach fuhren wir alle gemeinsam in eine andere Stadt, weil Guru dort einen Vortrag hielt (den Namen der Stadt habe ich leider vergessen). Auf dem Weg dorthin sagte Sri Chinmoy plötzlich: "O mein Blumenkohl, der arme Blumenkohl ist todunglücklich, weil ich ihn nicht essen werde." Ich saß mit einer Freundin auf dem Rücksitz des Autos und wir schauten uns verdutzt an. Dann rief ich aus: " Alles hat eine Seele, alles entwickelt sich." Wir saßen schweigend da und waren tief beeindruckt.

Als ich wieder zu Hause ankam, entschuldigte ich mich bei dem Blumenkohl und legte ihn in den Kühlschrank. Am nächsten Tag wurde er von mir und alle, die sonst noch zufälligerweise im Haus waren, gegessen. So eine Enttäuschung!
Ich lächelte. Bestimmt dachten die Leute, wir seien verrückt.
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Eine meiner schönsten Erinnerungen an diese Zeit war der gemeinsame Besuch mit Guru in einem Waschsalon. Dass ein Mann von solcher Größe, ein spiritueller Meister, an solchen Alltagsaktivitäten teilhatte, führte mir immer wieder die erstaunliche Qualität der Demut vor Augen.

Damals lebte ich in einem kleinen Reihenhaus. Nicht jeder besaß zu dieser Zeit eine eigene Waschmaschine wie das heute der Fall ist und auch ich musste meine Wäsche im Waschsalon waschen.
Während die Waschmaschine lief, wollte Guru die umliegenden Geschäfte besuchen. Er ging mit mir zu einem Laden, dessen Inhaberin eine ältere indische Frau war. Sie verkaufte dort Saris, Schals und verschiedene Stoffe zum Selbernähen. Ich erinnere mich, dass es in der Nähe auch ein Geschäft mit Süßigkeiten gab. Ich ließ Guru in den Laden gehen und machte mich auf den Weg zurück zum Waschsalon. Nach einer Weile tauchte Guru wieder auf und strahlte über das ganze Gesicht. Guru hatte für jeden von uns Geschenke besorgt. Guru liebte es, Geschenke zu machen.

Auch mir hatte er eine Tafel Schokolade gekauft.
Ich war so überrascht und erfreut zugleich, dass ich kaum wusste, wie ich mich verhalten sollte! So saßen Guru und ich nebeneinander und beobachteten die Waschmaschine beim Waschen. Ich fühlte mich überaus privilegiert, in solch einer besonderen Situation zu sein.
Damals sperrte niemand seine Ladentüre ab, die indische Frau aber tat das, und Guru erzählte mir, dass sie ihn zuerst gar nicht hineinlassen wollte!

Sri Chinmoy ist jetzt weltbekannt und hat Tausende von Schülern. Im Rückblick auf jene Zeit, wo alles noch unkompliziert war und es nur wenige Schüler gab, sind diese Begebenheiten wertvolle Momente innerer Freude, die einem keiner mehr nehmen kann.