Ein tiefes Gefühl des Glücks, von Elisabeth Chand aus Essen

Alles begann im Februar 2004. Zu dieser Zeit war ich in tiefer Trauer, draußen war alles grau in grau und mir wurde mit einem Schlag bewusst, dass ich die meisten geliebten Menschen bereits durch den Tod verloren hatte. Mit schwerem Herzen fuhr ich Richtung Essen-Steele, um dort das Nötigste einzukaufen. An der Kasse des Supermarktes blieb mein Blick an einer Pinnwand hängen. Erst schaute ich nur aus Langeweile darauf, aber irgendwann, beim genaueren Hinsehen, entdeckte ich einen kleinen, unscheinbaren Zettel. Dieser Zettel weckte sofort mein Interesse. Spontan und energisch riss ich dieses kleine Blatt einfach ab und kam mir dabei fast wie eine Diebin vor. Zu Hause angekommen studierte ich alles noch einmal etwas genauer. Es handelte sich um eine Einladung zu einem kleinen Meditationskonzert der Frauengruppe "Ganga" aus München, die Lieder des spirituellen Meisters Sri Chinmoy vortrug, dessen Namen ich jedoch noch nie gehört hatte. Es wirkte schon alles ein wenig sehr exotisch auf mich.

Doch trotzdem machte ich mich am besagten Samstagabend, mit vielen inneren Widerständen kämpfend, auf den Weg, wäre aber fast an der ein oder anderen Haltestelle am liebsten gleich wieder ausgestiegen. Doch etwas in meinem Innern hielt mich im Zug fest. Ich wusste jedoch nicht, was es war. Unterwegs begegnete ich weiteren Menschen, die sich auch auf dem Weg hin zum Konzert befanden. Ihnen schloss ich mich an. Es war bitterkalt und ein leichter Schneefall machte das Wintermärchen perfekt. So wurden wir fast automatisch in den Konzertraum, ein kleines Puppentheater, hineingezogen.
Ein wenig ungewöhnlich und fremdartig war es schon: die Frauengruppe mit ihren sehr schönen indischen Saris, die mysteriöse, meditative Musik, sowie die ganze Ausstrahlung, die von diesen Musikerinnen ausging, die alle, so erwähnten sie eingangs, Schülerinnen des bengalischen spirituellen Meisters Sri Chinmoy waren. Irgendwie fühlte ich mich etwas Fehl am Platz. Doch ich wollte nicht unhöflich sein. Denn als nach dem Konzert eine der Musikerinnen fragte, ob mir das Konzert gefallen habe, bejahte ich, was allerdings nicht ganz der Wahrheit entsprach. Doch trotzdem erwarb ich spontan vier Musik-CDs, da mich etwas tief in mir beinahe dazu drängte. Auch einen kleinen Zettel nahm ich, wie schon kürzlich im Supermarkt, nur diesmal "offiziell", mit. Es handelte sich hierbei um eine Einladung zu einem kostenfreien Meditationskurs in Essen-Süd. Sollte ich hingehen? Ich verspürte einen inneren Widerstand und wollte erst einmal über die ganze Sache schlafen. Doch den Tag darauf hatte sich bereits eine innere Sicherheit eingestellt. Plötzlich brannte ich förmlich darauf, mehr über Meditation zu erfahren und auch einmal den spirituellen Lehrer Sri Chinmoy persönlich kennenzulernen. Und ich sollte es nicht bereuen!

Denn schon die zwei Tage vor dem Meditationskurs spürte ich ganz intensiv, dass nun meine lange Zeit des Trauerns und des Schmerzes eine gravierende Wende erfahren hatte. Plötzlich schien eine innere Sonne in mir aufzugehen, die mich mit ihren hellen Strahlen in ein gänzlich neues und unendlich positiveres Leben führen würde. Fast so, als wäre ich nach langer, langer Zeit endlich "angekommen". Und doch kam da wieder dieser innere Widerstreit in mir auf, der mich fast um diese große Möglichkeit gebracht hätte. Aber glücklicherweise wurde ich wie ein Magnet zum Kurs hingezogen und ich hörte eine innere Stimme in mir sagen: "Nun wird alles wieder gut!"

Fast wäre ich nicht rechtzeitig gekommen, da scheinbar an diesem Tag alles Verspätung hatte. Doch zum Glück fand ich meinen Weg, fast so, als hätte mich eine unsichtbare Hand ergriffen und mich schließlich eine kleine Treppe hinauf geführt. Und schon an der Türschwelle vernahm ich mystische Klänge. Es waren bereits ein paar Kursteilnehmer anwesend, doch ich lauschte erst einmal gebannt den fremdartigen Tönen. "Hi", sagte die Meditationskursleiterin zu mir, nachdem sie mich an der Türschwelle erblickt hatte und lächelte dabei so freundlich, dass ich mich sofort willkommen fühlte. Nun schaute ich mir den Raum etwas genauer an, in dessen Mittelpunkt ein kleiner Meditationsschrein aufgebaut war, mit Blumen, Kerzen und einem Bild, welches, wie ich später erfuhr, von den Schülern Sri Chinmoys für ihre Meditation genutzt wird und Sri Chinmoy in tiefer Meditation zeigt. Dieses Bild zog mich sofort magisch an und erweckte in mir etwas Neues und Tiefes, ein Gefühl spiritueller Erfüllung. Dafür bin ich noch heute sehr, sehr dankbar und nach wie vor hat dieses Bild, welches auch Transzendentales Bild genannt wird, eine äußerst große Bedeutung in meinem Leben. Auch ging von diesem Bildnis und Sri Chinmoy selbst etwas Vertrautes aus, fast so, als würde ich ihn schon lange, lange kennen.

Kurze Zeit später bot sich die Gelegenheit im Kölner Sri-Chinmoy-Zentrum - eines der Meditationszentren der Schüler Sri Chinmoys in Deutschland - einer kleinen Veranstaltung beizuwohnen. Und alles faszinierte mich sofort: die reine, fast heilige Atmosphäre des Raumes, die Ausstrahlung der Schüler und auch, erneut, das Transzendentale Bild, welches sich bereits tief in mein Herz eingegraben hatte. Darüber hinaus die wunderschönen Melodien des kleinen Konzertes, welche noch lange in mir widerhallten. Auch spürte ich an jenem Abend eine tiefe Dankbarkeit in mir aufsteigen und, natürlich, brannte ich mittlerweile darauf, selbst Schülerin des spirituellen Meisters Sri Chinmoy zu werden. Und in meinem Innersten war dies bereits Realität geworden, dies spürte ich ganz stark.

Es war der letzte Kursabend und endlich war es soweit! "Elisabeth, möchtest du Schülerin von Sri Chinmoy werden", hörte ich die Meditationskursleiterin wie aus unendlich weiter Entfernung fragen. Fast so, als müsste erst der Schleier meiner menschlichen Wahrnehmung durchbrochen werden, der aus einem Hoffen und Bangen bestand, aber auch aus einer großen Sehnsucht, tiefer in die Spiritualität einzutauchen. Und nun ging alles sehr schnell. Das einzige, was ich zu tun hatte, war ein Passbild von mir abzugeben, auf das Sri Chinmoy dann meditieren würde, um mich als seine Schülerin anzunehmen - oder abzulehnen. Dieses Passbild wurde nach New York, dem Wohnort Sri Chinmoys weitergeleitet. Und nun begann das große Warten, welches mir ziemlich alles abverlangte.

Die Tage vergingen, es war bereits der 21. April 2004, und ich saß gedankenversunken an der Ruhr, die durch meinen Heimatort Essen fließt. Ich las in dem Buch "Meditation" von Sri Chinmoy. Irgendwann blickte ich plötzlich auf das ruhig dahinfließende Wasser und sah eine schemenhafte Gestalt, die sich dort spiegelte. Was konnte dies sein? Und irgendwie hielt mich auf einmal nichts mehr an meinem Platz und ich machte mich auf den Nachhauseweg. Ich hörte mein eigenes Herz, wie es erwartungsvoll schlug und befürchtete fast, auch die anderen Menschen im Essener Linienbus könnten dieses aufgeregte Schlagen hören. Ich betrat meine Wohnung, da läutete das Telefon. Mir stockte der Atem! Voller Erwartung und Gewissheit nahm ich den Hörer ab. Am anderen Ende der Leitung vernahm ich die Stimme einer Schülerin Sri Chinmoys. Doch sie sprach recht zögerlich. Ein sehr ungutes Gefühl überkam mich. Ich war als Schülerin abgelehnt worden, ging es mir wie tausend Nadelstiche durch den Kopf. Umso überraschter und erfüllt von Freude war ich, als ich das genaue Gegenteil vernahm! Ja, endlich war es soweit, ich war als Schülerin eines großen spirituellen Meisters angenommen worden. Ich konnte mein Glück kaum fassen!

Dies alles ist nun fünf kurze oder lange Jahre her. Und seitdem ist nichts mehr so, wie es zuvor war. Meine Traurigkeit und Hoffnungslosigkeit ist verschwunden und es konnte statt dessen etwas Großes und Weites in mir Raum finden. Dafür bin ich unendlich dankbar. Auch sonst hat sich in meinem Leben viel verändert - innerlich und äußerlich. Es hat sich ein tiefes Gefühl des Glücks in mir eingestellt, welches ich zuvor nicht einmal kannte. Mittlerweile hat Sri Chinmoy seinen Körper verlassen, aber die Verbindung von Meister und Schüler ist eine Verbindung von Herz zu Herz und wird deshalb für immer Bestand haben.

Elisabeth Chand, Essen