Mein Weg zu Sri Chinmoy, von Apaga Renner aus Graz

Ich war schon immer sehr philosophisch veranlagt. Schon als kleines Kind habe ich beim – sonst für mich unheimlich langweiligen – Wandern meinen glücklicherweise gutmütigen und geduldigen Vater mit endlosen Fragen bestürmt:
„Wie groß ist das Universum?“
„Wie kann ich mir unendlich vorstellen?“
„Wenn du etwas Blaues ansiehst, siehst du dann dieselbe Farbe, wie ich?“

Apaga Renner

Eine Frage aus dieser Zeit (ich war ca. 6 Jahre alt), hat mich einige Jahre begleitet, weil sie mir damals niemand wirklich beantworten konnte:
„Ist Gott allmächtig?“
„Sicher ist Er das.“
„Wenn Gott allmächtig ist, dann kann er doch sicher einen Stein erschaffen, den er nicht tragen kann.“
„Ich denke schon.“
„Aber wenn es dann einen Stein gibt, den er nicht tragen kann, dann ist er doch nicht mehr allmächtig...!“

Heute weiß ich natürlich, dass meine ganze Vorstellung von Gott damals zu begrenzt war. Aber damals hat mich die Frage wirklich beschäftigt.

Später, im Gymnasium, hatte es mir dann der Deutschunterricht (unser Professor war ebenfalls sehr philosophisch) und natürlich die Philosophiestunden besonders angetan.

So kam es, dass ich mir 16 Jahren dann einmal ernsthaft die Frage stellte: „Was will ich eigentlich von meinem Leben?“

„Zuerst möchte ich die Matura machen.“
„Und wozu?“
„Damit ich studieren kann.“
„Und wozu?“
„Damit ich irgendwann einen guten Job bekomme, der mir Freude macht.“
„Und wozu?“
„Damit ich Erfüllung und Freude finde.“
„Hm. Aber dann geht es mir eigentlich nicht wirklich um einen guten Job, sondern um das, was ich mir davon erhoffe: Glücklichsein!!“

Aber um sicher zu sein, dass das Glücklichsein wirklich mein Lebensziel war, musste ich das erst noch genauer untersuchen:
„Angenommen, ich bin jung, gesund, hübsch, reich, habe einen netten, gut aussehenden Mann, Familie, Haus, Auto... und wäre gleichzeitig depressiv (ist ja eigentlich gar nicht so selten...), dann hätte ich doch nichts davon!

Andererseits: wenn ich alt, krank, arm und alleine wäre, könnte dabei aber glücklich und zufrieden sein (gibt es auch, aber etwas seltener), dann würde mir doch eigentlich nichts fehlen!“

„Also gut, mein Lebensziel ist es, glücklich zu sein.“

Nur... wie macht man das jetzt? (Da ich mit Sicherheit nicht die Erste war, die sich diese Frage gestellt hat, ist es auch kaum verwunderlich, dass die Antwort darauf auf sich warten lies.)
„O.K., dann eben anders gefragt: wie darf ich es nicht machen?“

Diese Fragestellung war schon wesentlich einfacher: die Art von Glücklichsein, die ich suchte, durfte man mir nicht wieder wegnehmen können...! Autos, Familie, Reichtum etc. schieden daher aus! Mein Glücklichsein, so philosophierte ich, durfte also von nichts Äußerem abhängen, sein Grund musste in mir sein!

Für mich war diese Erkenntnis so etwas wie eine Offenbarung! Das mag vielleicht verwundern, aber bei den Philosophen westlicher Prägung, mit denen ich mich bis zu dem Zeitpunkt beschäftigt hatte, waren diese Art von Gedanken bisher nicht aufgetaucht.

Also, so schloss ich, muss ich wohl irgendwann nach Tibet gehen und Schüler von einem Fakir werden (ich hatte damals noch überhaupt keine Ahnung von östlicher Philosophie, wie man unschwer erkennen kann), denn ich wollte die Art von Glücklichsein, die man sogar behalten kann, wenn man gefoltert wird (ich war nicht nur philosophisch, sondern auch konsequent!).

Nun, soweit musste ich nicht reisen, denn das, was ich gesucht hatte, wartete auf mich direkt in meiner Heimatstadt Salzburg:

Eines schönen, warmen Frühlingstages spazierte ich völlig zufrieden mit mir und der Welt an der Salzach entlang (klingt kitschig, war aber wirklich so). Dort fiel mein Blick auf ein Poster, welches auf einem Brückenpfeiler hing. Das Poster selbst fand ich hässlich, dennoch fühlte ich mich von einem Satz magisch angezogen: „Vortrag mit praktischen Meditationsübungen.“

Nachdem ich schon mit 13 Jahren begonnen hatte, Hatha-Yoga auszuüben, war dies der nächste logische Schritt. Der Hatha-Yoga war wirklich imstande gewesen, meinen Körper und die Nerven zu stärken (ich war sehr beweglich und 15 Jahre lang kein einziges Mal krank), aber richtigen Zugriff oder Kontrolle über die Gedanken und Gefühle hatte ich dadurch nicht bekommen. Und wie will man ohne diese, ohne „Herr im eigenem Haus“ zu sein, glücklich werden? Außerdem war ich fasziniert von der Möglichkeit, keine Gedanken zu haben!

Der Vortrag sollte am Donnerstag derselben Woche in Salzburg stattfinden. An diesem Abend erhielt ich einen Anruf von meinem damaligen Freund und jetzigen Mann, Dipavajan, der in Graz studierte.

Er teilte mir völlig überraschend mit, dass er in der besagten Woche am Donnerstag nach Salzburg kommen würde. Hocherfreut ließ ich ihn wissen, dass ich ihn an diesem Abend zu einem Vortrag „mitschleppen“ würde, ob er wolle, oder nicht.

Nach einer kurzen Pause fragte er mich über den Vortrag aus. Schließlich meinte er zufrieden, dass sich das gut träfe, denn er hätte sowieso vorgehabt, mit mir diesen Vortrag zu besuchen.
„Ah, und woher weißt du in Graz, welche Vorträge wir in Salzburg haben?“
„Ich war gestern bei demselben Vortrag in Graz und der Vortragende hat gesagt, dass er den Vortrag am Donnerstag in Salzburg wiederholen wird!“...

Mein Mann und ich hatten uns schon immer, unabhängig von einander, in dieselben Richtungen entwickelt...

Nun, das war es dann. Einen Monat später wurde ich, gemeinsam mit meinem Mann, Schülerin von Sri Chinmoy. Eine Entwicklung, für die ich nur immer wieder dankbar sein kann.

Die Begeisterung für die Meditation habe ich mir bis zum heutigen Tag erhalten, sie ist mit der Zeit sogar stärker geworden. Denn aus der anfänglichen Neugierde, dem spannenden "Wie fühlt es sich an...?" ist ein ruhiges Wissen und die Freude an der Stille geworden, in welche ich nun täglich tauchen kann. Und: Ja, ich weiß jetzt, wie es sich anfühlt, keine Gedanken zu haben! Dieser Zustand ist ungleich spannender und erfüllender, als ich jemals für möglich gehalten hätte. Doch das ist natürlich noch lange nicht das Ende! Es gibt noch unendlich viel zu entdecken und die Freude ist eine Qualität in uns, die bis zur Verwirklichung hin immer intensiver wird.

Und Sri Chinmoy?

Ca. 9 Monate nach diesen Ereignissen lernte ich Sri Chinmoy auch persönlich kennen. Anfangs habe ich ihn wohl mit großen Augen angestarrt, schließlich trifft man nicht jeden Tag einen spirituellen Meister! Außerdem hatte ich zu dem Zeitpunkt noch keine Ahnung, was ein spiritueller Meister eigentlich tatsächlich ist.

Doch in den 18 Jahren, die ich nun seinem Weg folge, habe ich dann natürlich genügend Gelegenheit bekommen, ihn besser kennen zu lernen. Und je tiefer meine spirituellen Erfahrungen geworden sind, je weiter ich werden konnte, desto intensiver ist auch die innere Verbindung zu Sri Chinmoy geworden und desto stärker habe ich seine liebevolle Führung in meinem täglichen Leben wahrgenommen. Daran hat auch sein physischer Tod letztes Jahr nichts geändert! Denn eine wahre Schüler-Meister Beziehung ist etwas, das sich auf den inneren Ebenen abspielt und die Grenzen von Raum und Zeit, Tod und Leben überschreitet.

Beweisen kann man das leider nicht, man kann es nur selber erleben. So wie die Millionen von Menschen im Laufe der Geschichte, die alle Schüler von echten Meistern gewesen sind. Vor allem die indische Literatur ist voll von ihren spannenden und inspirierenden Geschichten. Ich kann nur jedem, der den sich für die inneren Realitäten interessiert raten, sich von ihnen berühren zu lassen!