Welch großes Glück!, von Kritartha Brada aus Prag

Ich sah Sri Chinmoy das erste Mal in Bratislava, der Hauptstadt der Slowakei, am 22. November 1993. Zu jener Zeit war ich ein Sucher mit einem eher Hippie- oder Vagabunden-Hintergrund.
Soweit ich mich erinnern kann, hatte ich einen Monat lang Meditationskurse besucht, zusammen mit meinen Freunden Akshaya und Payodhi. Wir entschlossen uns, gemeinsam von Prag nach Bratislava zu reisen, um dort Sri Chinmoy in einem Friedenskonzert zu sehen. Einer ähnlichen Veranstaltung hatten wir bisher noch nicht beigewohnt und waren deshalb sehr gespannt auf diese neuartige Erfahrung. Das Konzert trug den Namen "Ein Festival des inneren Friedens", was sich für uns sehr interessant und geheimnisvoll anhörte. Wir saßen in einer riesigen Basketballhalle, die 5000 Menschen Platz bot, und ertranken fast im Meer dieser großen Zuschauermenge.

Als Sri Chinmoy mit gefalteten Händen auf die Bühne kam und dort in Stille meditierte, bewunderte ich ihn unverzüglich für seine Demut und innere Kraft, die die ganze Halle mit einer vibrierenden Atmosphäre und einer friedlichen Stille erfüllte.
Als das Konzertende nahte, begann Sri Chinmoy auf einem großen chinesischen Gong zu spielen, was für mich der Beginn eines unglaublichen Drei-Stufen-Erlebnisses war. Bei jedem mächtigen Schlag des Gongs war es mir, als würde ich selbst hart geschlagen. Fast so, als hätte ich eine Rüstung um meinen ganzen Körper herum, und mit jedem Schlag des Gongs würde jemand zu meinem inneren Selbst vordringen, die eiserne Schale meiner Unwissenheit durchbrechend. Diese Erfahrung dauerte solange an, wie der Gong gespielt wurde. Gegen Ende spürte ich, dass das Hämmern gegen meinen Brustkorb erfolgreich gewesen war, indem es in dessen Mitte eine Öffnung geschaffen hatte.

Jedoch damit nicht genug. Die zweite Stufe war ein Reinigungsprozess. Ein Gefühl, als ob jemand mit einem Staubsauger allen Unrat aus mir heraus saugen würde. Seit jenem Tag scheint Sri Chinmoy diesen Säuberungsprozess täglich zu vollziehen. Wie viele Jahre – ich möchte an dieser Stelle nicht von Inkarnationen sprechen - wird es wohl dauern, bis das innere Gefäß gereinigt ist, so dass das innere Licht, welches Sri Chinmoy täglich einfließen lässt, auch bleibend verweilen und wachsen kann?
Die dritte und letzte Stufe dieses Tages war das mir bis zu diesem Zeitpunkt unbekannte Gefühl einer Tränen erfüllten Dankbarkeit. Nach dem Reinigungsprozess fühlte ich mich viel leichter und irgendwie auch befreit von einem riesigen Ballast, bestehend aus Unwissenheit und Unreinheit. Dies wurde ersetzt durch einen Hauch von Weite und Befreiung in meinem Bewusstsein. In jenem Augenblick fühlte ich, wie sich Sri Chinmoy meiner Unwissenheit annahm, mit dem Versprechen, sie eines Tages zu verwandeln und erleuchten. Es war der Beginn meiner spirituellen Reise – hin zum Licht des alles übersteigenden Jenseits.

Am nächsten Tag fand eine Abendveranstaltung nur für Schüler Sri Chinmoys statt. Zu jener Zeit war ich noch kein Schüler, jedoch, nach meiner Erfahrung des Vorabends, wollte ich dem Treffen mit Sri Chinmoy unbedingt beiwohnen. Ich hatte noch immer lange Haare, was ein großes Hindernis war der Veranstaltung beizuwohnen - ein klares Indiz dafür, dass ich kein Schüler sein konnte. Deshalb entschied ich mich dazu, mein langes Haar vorne etwas zusammen zu binden, in der Hoffnung, dies würde mich vor missliebigen Fragen bewahren – und es erwies sich tatsächlich als sehr zwecktauglich. In der Veranstaltungshalle saß ich ganz hinten, mich in der Hoffnung versteckend, keine Aufmerksamkeit zu erregen, und wartete einfach auf das, was sich wohl ereignen würde.

Ich war darüber erstaunt, Sri Chinmoy in Laufschuhen, einem Trainingsanzug und einem Wintermantel auf die Bühne kommen zu sehen! Er saß in seinem Sessel, die Beine weit nach vorne ausgestreckt, und begann damit sich umzusehen, während er gleichzeitig etwas auf ein Blatt Papier zeichnete. Ich hatte keine Ahnung davon, was dies alles zu bedeuten hatte. Ich empfand es als recht amüsant, aber gleichzeitig auch äußerst interessant. Irgendwann, als ich gerade mit Erstaunen Sri Chinmoy auf der Bühne beobachtete, schaute er in meine Richtung, mit seinem Zeigefinger auf den Lippen. Mein erstes Gefühl war: "Oh, er hat bemerkt, dass ich ein Fremder bin, und nicht zur Gruppe der Schüler gehöre." Ich begann, mich ein wenig unwohl zu fühlen und dachte: "Er wird nun vielleicht jemanden rufen, der mich hinaus begleitet." Das Gefühl der Unsicherheit und einer gewissen Beschämung verstärkte sich, sodass ich mich dazu entschied so zu tun, als würde ich mich nicht dafür interessieren, in welche Richtung er schaute, und wendete meinen Kopf nach rechts und nach links, als wäre es mir tatsächlich gleichgültig, was nun geschehen würde. Doch irgendwann packte mich dann doch wieder meine Neugierde und ich wollte wissen, ob er immer noch in meine Richtung blickte. Er tat es weiterhin! Ich nahm die Herausforderung mit allem mir zur Verfügung stehenden Mut an und sagte mir: "Gut, auch ich werde ihn weiterhin beobachten, mal sehen was passiert."
Zu meiner Überraschung fühlte ich im Bereich meines dritten Auges, zwischen den Augenbrauen, etwas Ähnliches, wie ich während des Konzerts inmitten meines Brustkorbes gespürt hatte. Zudem konnte ich dieses Mal etwas Angenehmes, Warmes und Freudvolles in meinem spirituellen Herzen empfinden.

Am Veranstaltungsende tauschten meine Freunde und ich unsere Erfahrungen aus und kamen alle zur gleichen Schlussfolgerung: "Der Mann auf der Bühne es etwas Besonderes." Wir waren noch nie solch einer Verbindung von Demut und innerer Kraft, einer kindlichen Art und authentischen Spiritualität begegnet. Alle Erfahrungen, die wir im Zusammenhang mit Sri Chinmoy gemacht hatten, gaben uns das sichere Gefühl und die feste Überzeugung, dass er jener aufrichtige spirituelle Meister war, nach dem wir gesucht hatten. Er hatte einfach unsere Herzen erobert und aufgeschmolzen. Welch großes Glück war uns beschieden gewesen! Wir entschieden uns dazu, ihm Fotos von uns zuzusenden und wurden Anfang Januar 1994 offiziell als seine Schüler angenommen.

Kritartha Brada, Prag