Die Suche nach etwas Tieferem, von Tejvan, Oxford, England

Meine Kindheit war meist glücklich, aber ereignislos. Ich zog es oft vor mit mir allein zu sein als mit anderen Menschen zusammen, aber ich hatte nur ein geringes Bewusstsein für Religion und Spiritualität.

Nach der Schule studierte ich Politik, Philosophie und Wirtschaft an der Lady Margaret Hall, Universität Oxford. Ich genoss es zu studieren und die verschiedenen Bibliotheken und Colleges innerhalb der wunderschönen Stadt Oxford aufzusuchen. Das Unileben bot eine noch nie dagewesene Menge an sozialen Möglichkeiten, jedoch, nach zwei Jahren, wurde die Anziehungskraft von Partys und dem hektischen sozialen Leben weniger. Zur gleichen Zeit verlor sich der Lockvogel des Vielen-Geld-Verdienens in der Stadt auch. Es schien so als würden alle Attraktionen und Annehmlichkeiten der Welt nichts bedeuten, wenn man innerlich nicht glücklich war. Ich begann nach etwas anderem zu suchen, etwas Tieferem.

Nach einer besonders schwierigen Episode, zog es mich in ein spirituelles Buchgeschäft – jene Sorte von Plätzen, die ich ein paar Monate zuvor nie in Betracht gezogen hätte. Ich nahm ein paar spirituelle Bücher mit und dieser neue Zugang zum Leben begann mich zu faszinieren. Er gab Einblick in eine andere Welt, wo es ein Versprechen echten Friedens und Freude gab. Zudem erschienen mir Dinge, die mir früher Freude machten, ziemlich langweilig. Aus Gewohnheit klammert man sich an gewisse Dinge, besonders wenn diese zur weit verbreiteten Wahl der Gesellschaft gehören; aber ich fand zu einem inneren Wandel, der mein Leben in eine andere Richtung katapultierte. Ich konnte mich einfach nicht mehr für die vorübergehenden Freuden des Lebens begeistern.

Zu dieser Zeit machten schon ein paar Bücher auf mich einen ziemlich großen Eindruck. Ein Buch war von einem Engländer, Paul Brunton, der viel durch Indien gereist war und Weise, Fakire und Wahrsager getroffen hatte, bevor er auf seinen eigenen Guru traf – den großen Ramana Maharshi – in Arunachala in Südindien. Es war in Arunachala, als er eine besonders kraftvolle Meditation erfuhr. Irgendwie hat seine Beschreibung der Mediation dann bei mir eine Saite berührt. Das war es – auch ich wollte solch eine Meditationserfahrung machen.

Ich machte ein paar vorsichtige Versuche, aber schon bald wurde mir klar, dass Meditation viel schwieriger war, als ich gehofft hatte, vor allem wenn man das Gefühl hat, dass sich die Welt genau in die entgegengesetzte Richtung bewegt. Ich meditierte ein bisschen, aber die meiste Zeit verbrachte ich damit spirituelle Bücher zu lesen, die einer Reihe verschiedener Wege und Lehrer folgten. Ich dachte, dass je mehr ich an Weisheiten las, umso besser sich alles entwickeln würde. Aber die verschiedenen Wege wurden verwirrend und ließen ein leichtes Gefühl von Magenverstimmung zurück.

Nun entwickelte ich eine Faszination für das I Ging – Münzen werfen um Fragen des Lebens zu beantworten. Das I Ging ist ein großartiges Buch spiritueller Weisheit, aber ich benützte es nicht auf die richtige Art und Weise. Ich wurde zu abhängig vom Münzenwerfen für jede einzelne Entscheidung. Während dieser Zeit in meinem letzten Universitätsjahr wurde ich sehr krank und ich musste mir ein Jahr Auszeit von der Universität nehmen.

Die physische Erkrankung traf mit einer Periode mentaler Depression zusammen. Ich war sehr verwirrt und verzweifelt jemals einen Weg heraus aus der Leere zu finden, in die ich gefallen war. Ich erinnere mich daran, vergebens zu Gott geschrien zu haben, aber es schien keine Antwort zu kommen. Man kann sagen, dass das eine dunkle Nacht der Seele war. Es war sicherlich eine sehr schmerzvolle Zeit, obwohl es sich jetzt wie ein anderer Lebensabschnitt anfühlt.

Doch so schnell wie ich erkrankt war, so schnell ging es mir auch wieder besser, und in nur neun Monaten kehrte ich nach Oxford zurück mit einem viel besseren Gefühl mentaler Balance und Gelassenheit. Es fühlte sich an, als wäre mir eine zweite Chance gegeben worden. Weg von den aussichtslosen Klauen der Depression, änderte sich meine Aussicht zu einem Gefühl von großartiger Neuheit und Möglichkeiten. Trotz vieler Schwierigkeiten, die es durchzustehen galt, war das Streben nach einem spirituellen Leben, wenn überhaupt, intensiviert.

Es war im Jahr 1999, wieder in Oxford, als ich Plakate von Meditationskursen, die vom Sri Chinmoy Center angeboten wurden, entdeckte. Es war nicht das erste Mal, dass mir die Plakate unterkamen. Ich erinnerte mich an Plakate für ein Friedenskonzert von Sri Chinmoy ein paar Jahre davor. Ich erinnerte mich, dass mich das Bild Sri Chinmoys angezogen hat und ich wirklich hingehen wollte, um es zu sehen. Aber ein Freund überzeugte mich, dass ein paar Halbe in einem Jazzclub mehr Spaß machen, so sollte es nicht sein. Aber das war drei Jahre vorher, jetzt war die Anziehungskraft zu meditieren größer als alles andere.

Die Meditationen waren ermutigend, obwohl ich herausfand, dass es in der Praxis viel schwieriger als in der Theorie war, den Verstand zu beruhigen. Ich glaube, anfangs war ich ungeduldig, etwas wie eine große Trance zu erleben, die sich nie materialisierte. Aber die einfache und klare Philosophie von Sri Chinmoy sprach mich an und ich fühlte, dass ich einen richtigen Fortschritt machte, auch wenn es nicht ganz so war, wie ich es erwartet hatte. Ich bekam auch einen guten Eindruck von den Schülern Sri Chinmoys, die die Kurse hielten. Sie schienen mir ziemlich anspruchslos und gut gelaunt. Man könnte sagen, dass sie wohl viel dafür bekommen, für das was sie praktizierten. Da war kein Gefühl von Verpflichtung, nur ein erfreutes Anbieten; auch die Kurse wurden gratis gegeben, was ich sehr nett fand. Ungeachtet dessen, dass sie ihre Meditationserfahrung offensichtlich schätzten, gab es nie den Druck oder die Erwartung, dass ich tatsächlich mitmachen würde. Sie waren einfach nur sehr glücklich über Sri Chinmoys Weg zu sprechen und wie viel sie davon bekommen hätten. Während des Meditationskurses kamen junge Musiker von einem anderen Sri Chinmoy Center vorbei und spielten die wunderbarste, himmlischste Musik. Die von Sri Chinmoy komponierte Musik war etwas, was ich noch nie zuvor gehört hatte, sie war sehr erhebend.

Die anderen Sachen, die mich sehr anzogen, waren die Fotos von Sri Chinmoy. Das Bild von Sri Chinmoy in Meditation war sehr fesselnd und anders-weltlich. Ich fühlte, dass dies wirklich jemand war, der ein höheres Bewusstsein erlangt hatte. Es war ziemlich aufregend, da ich immer angenommen hatte, ich müsste nach Indien reisen, um einen richtigen Guru zu finden, aber hier war ein richtiger Guru, der im Westen lebte. Als ich Sri Chinmoys Schriften las, erschien es mir im Einklang mit all den anderen spirituellen Lehren, über die ich zuvor gelesen hatte, aber mit einer zusätzlichen Direktheit und Einfachheit. Das war keine mentale Spekulation. Sri Chinmoy schrieb mit der Autorität und der Gewissheit von jemandem, der genau das erlebt hatte, worüber er geschrieben hatte. Doch obwohl es da eine große Autorität gab, spürte man keine Distanz. Sri Chinmoy hatte die Berufung zu schreiben und sich gleichzeitig mit den Suchenden zu identifizieren. Manchmal fühlte es sich so an, als hätte man selbst geschrieben, was Sri Chinmoy geschrieben hat. Das mag komisch klingen, aber so fühlte es sich an.

Sri Chinmoy nimmt nur Schüler/innen an, die bereit sind für seinen Weg eine gewisse Bindung einzugehen. Er bittet seine Schüler/innen von Drogen, Alkohol abzusehen und sich vegetarisch zu ernähren. Auf seinem Weg, wenn sie schon Single sind, ersucht er sie Single zu bleiben und nicht nach einem Partner zu suchen. Nachdem ich schon die Autobiographie eines Yogi von Paramahansa Yogananda und andere Bücher gelesen hatte, erwartete ich das von einem spirituellen Meister. Einerseits war es eine Herausforderung so einen zölibatären Lebensstil anzunehmen, aber tief in mir wusste ich, dass es das war, was ich wollte. Ich wusste, dass ich niemals mehr glücklich werden würde, wenn ich einem konventionellen Lebensstil folgte. Ich fühlte keine Anziehung mehr dafür, den am besten bezahlten Job zu bekommen und mich für das Familienleben niederzulassen. Ich wollte wirklich die völlige Freiheit, um zu sehen, was man mit Meditation erreichen konnte.

Das Lustige daran war, dass ich im letzten Moment bevor ich mich einschrieb, das Gefühl hatte, nicht gut genug zu sein, um so einen großen spirituellen Meister zu bekommen. Meine Meditation fühlte sich schwach an und ich war weit davon entfernt perfekt zu sein. Ich dachte, ich sollte weggehen und ein paar Jahre für mich selbst meditieren, um so einen großen spirituellen Meister zu verdienen. Rückblickend klingt das jetzt alles ziemlich absurd. Obwohl Sri Chinmoy gewisse Bedingungen stellt, ist er bereit Schüler/innen jeden Niveaus anzunehmen – solange nur ihr aufrichtiges Streben da ist. Tatsächlich sagt Sri Chinmoy, dass die einzige Gebühr, die er von seinen Sucher/innen verlangt, die Gebühr des aufrichtigen Strebens ist.

Ich bewarb mich um die Aufnahme als Schüler und ließ ein Foto machen. Mir wurde später erzählt, dass Sri Chinmoy kurz auf das Foto meditierte und mich dann als Schüler akzeptierte. Wenn Sri Chinmoy auf ein Foto meditiert, konzentriert er sich auf die Seele des Suchenden. Wenn die Seele für diesen Weg bestimmt ist, dann gibt er dieser Seele seinen Segen und akzeptiert den Schüler/ die Schülerin. Das ist wie ein Moment der Initiierung. Für Sri Chinmoy ist einen äußere Initiierung unnötig, da die Verbindung innerlich gemacht wird, auf einer spirituellen Ebene. Sri Chinmoy erklärt, dass wenn er einen Schüler/ eine Schülerin akzeptiert, er ein Versprechen gegenüber dem Höheren gibt, den Suchenden zu Gott zu führen – egal wie lange es dauert und wie viele Inkarnationen es dazu braucht. Im tagtäglichen Leben sind wir es gewöhnt leichte Versprechen abzugeben, aber gleich von Beginn an fühlte ich, dass das ein heiliger Moment war. Gelegentlich würde es vorkommen, dass sich Menschen bewarben, die für einen anderen Weg bestimmt waren. In diesem Fall würde sie Sri Chinmoy nicht akzeptierten, aber innerlich würde er sie zum anderen Weg oder Meister begleiten. Als mir bekannt wurde, dass ich angenommen worden war, am 31. März 1999, war ich wirklich glücklich – wahrscheinlich sogar erleichtert, da ich Angst hatte vielleicht nicht gut genug zu sein, um angenommen zu werden.

Da ich erst vor einem Jahr noch ziemlich krank war, dachte ich, es wäre am besten meinen Eltern noch nicht die vollen Auswirkungen meines neuen Lebensabschnittes zu erzählen. Ich befürchtete, dass sie vielleicht nicht verstehen würden, was es für mich bedeutete, vor allem, da ich kürzlich noch sehr krank war. Jedenfalls waren sie schon an meinen Vegetarismus und an meine Aufgabe des Alkohols gewöhnt, so war es nach außen hin keine große Veränderung. Jedoch führt das Schülerwerden und das Annehmen eines spirituellen Lebens zu tiefen Veränderungen, zweifach, im äußeren und inneren Leben. Einem selbst fällt das vielleicht nicht auf, aber es ist ein allmählicher Prozess – und niemals geradlinig. Mit der Zeit sahen meine Eltern, dass ich zweifellos glücklich war mit dem Lebensstil, den ich gewählt hatte.

Meine Mutter besuchte später ein Konzert von Sri Chinmoy in der Royal Albert Hall in London. Auch kam sie zu einem Meditationskurs, den ich gab und war ziemlich überrascht, dass ich gelernt hatte zu singen. Anscheinend war ich als Kind kein so guter Sänger, aber manchmal kann Meditation helfen unerwartete Kapazitäten zu entwickeln.

Nachdem ich als Schüler von Sri Chinmoy angenommen wurde, fühlte ich, dass mich viele Ängste und Sorgen verließen. Zuvor war ich daran gewöhnt mich mit Entscheidungen zu plagen, mich zu sorgen, was ich am besten tun sollte. Ich wurde ärgerlich, wenn ich das Gefühl hatte, eine falsche Entscheidung getroffen zu haben, aber was ich auf Sri Chinmoys Weg lernte war, dass es weniger das ist, was wir tun, als wie wir es tun. Wenn wir innerlich glücklich sind, aufrichtig glücklich, dann sind die Umstände um uns herum von geringerer Bedeutung. Aber mehr als alles andere fühlte ich einfach, dass ich nach Hause heimgekehrt war. Ich hatte den Weg gefunden, nach dem ich bewusst und unbewusst für viele Jahre Ausschau gehalten hatte.

Zu gewissen Zeiten beim Meditieren stiegen unaufgefordert Tränen spontan in mir auf. Das waren keine Tränen des Kummers, sondern das lieblichste Gefühl das wiedergefunden zu haben, das einst verloren war und die Dankbarkeit dafür, sich letztlich wieder an den wahren Lebenssinn zu erinnern. Es ist ein reiner Moment; wenn du fühlst, dass du, zumindest zweitweise, dein Ego komplett verlassen hast und deiner Seele erlaubst in den Vordergrund zu treten.

Tejvan, Oxford